Das jahrelange Abonnieren der Schnäppchenseite Urlaubspiraten sollte sich für mich nun tatsächlich einmal lohnen. Nachmittags im Facebook-Feed entdeckt: für 250 € nach Chile und wieder zurück (ja, zweihundertfünzig)! Da ich den September eh verreisen wollte, keine Wohnung oder Zimmer zu der Zeit anmieten würde und sich die Flüge tatsächlich in diesem Zeitraum buchen ließen kam dieses Angebot wie gerufen. Südamerika stand auf meiner bucketlist und die Chance war zum Greifen nah. Doch was gibt es überhaupt in Chile zu sehen? Wie ist das Wetter zu der Jahreszeit? Ein schneller Blick auf Wikipedia bot mir die nötigen Informationen und zwei Stunden später war der Flug gebucht. Zwar ohne wirklichen Plan, aber ganz ehrlich: so langweilig kann es schon nicht werden.
Ein Freund mit dem ich teilweise durch Asien gereist bin ließ sich leider nicht überzeugen bzw. war auch verhindert, sodass ich mich schließlich allein auf große Reise begab. Von Frankfurt über Madrid nach Santiago de Chile. Etwa 18 Stunden Flugzeit lagen vor mir, hinzu kamen noch 3 Stunden Fahrt zum Frankfurter Flughafen. Mit allen Wartezeiten stand mir also eine ca. 26 stündige Tour bevor. Doch die Aussicht auf weitere tolle Erlebnisse beim Reisen und die Chance Eindrücke aus einem komplett anderen Teil der Welt zu sammeln verdrängten die Unlust auf eine solch lange Anreise.
Wurde ich durch meinen Langstreckenflug mit Qatar Airways nach Singapur zu sehr verwöhnt oder ist Iberia Airlines wirklich eher im durchschnittlichen bis unteren Segment der Airlines anzusiedeln? Zumindest wiesen leicht abgewetzte, etwas schmuddelige Sitze darauf hin. Alles wirkte etwas älter. Vom Interieur OHNE TV-Screens an den Plätzen (damn!) über die angesprochenen Sitze bis zu den Flugbegleiterinnen, bei denen ebenfalls schon die ein oder andere Falte zu erkennen war. Naja. Ich bezeichne mich ja selbst als Traveler und nicht als Urlauber und nach über 20 Stunden Busfahrt im „VIP-Bus“ durch Laos ist man auch irgendwie abgehärtet. Zumal ich mich angesichts des schon unverschämt günstigen Preises wirklich nicht beschweren kann, bezahlt man solche Summen doch sonst für eine Hin- und Rückfahrt im ICE durch Deutschland. Und da gibt es ja auch keine TV-Screens…
Auch ohne TV-Screens ging der lange Flug irgendwann zu Ende und spätestens als ich bei aufgehender Sonne über den Anden, kurz vor dem Landeanflug auf Santiago, die riesigen Gebirgszüge erkennen konnte war der erste Stress bereits vergessen. Man hätte mich an dieser Stelle direkt wieder zurückschicken können, der Anblick allein hätte den Aufwand gelohnt. Freundlicherweise wurde ich aber auch an der Immigration nicht abgewiesen und betrat somit erstmals in meinem Leben südamerikanischen Boden. Dieser fühlte sich zwar nicht wirklich anders als der mir bereits bekannte Boden an, aber ich merkte recht schnell das in Santiago noch die letzten Wintertage mit Übergang zum Frühling herrschten. Mützen und Handschuhe standen im Kontrast zu mir im Sweatshirt. Da ich mich aber wie oben angesprochen im Vorfeld vorbildlich über Wikipedia informiert hatte war auch dies kein großer Schock und ich war entsprechend vorbereitet.
Santiago selbst ist eine typische (sofern man dieses Wort überhaupt benutzen kann) Großstadt mit üblichen Problemen wie Umweltverschmutzung (der Smog lässt die Anden manchmal nur erahnen) und überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Fahrten mit der Metro gestalteten sich dennoch recht unkompliziert, auch wenn es während meines Aufenthalts in Santiago einen Bombenanschlag in der Metro gab. Vermutet wird ein Anschlag terroristischen Hintergrunds, böse (oder ehrlichere?) Zungen behaupten jedoch, dass die Regierung den Anschlag selbst verübt hat um die von ihr gewünschten Erweiterungen der öffentlichen Überwachung zu legitimieren.
Wie auch immer. Ich persönlich mag Großstädte, Urbanität und die in Santiago allgegenwärtige Streetart. Diese ist vor allem im Barrio Bella Vista zu sehen, in dem ich während meines Aufenthalts „gewohnt“ habe. Neben Streetart gibt es verschiedenste Sehenswürdigkeiten kultureller Art, empfehlen kann ich das Haus Pablo Nerudas (La Chascona, (Eintritt mit Audio-Guide für wenig Geld verfügbar) mit detailverliebter und geschichtsträchtiger Ausstattung sowie das Museo de la Memoria y los Derechos Humanos (freier Eintritt, Audio-Guide für wenig Geld verfügbar), welches über den Militärputsch und die Diktatur unter Pinochet von 1973–1990 informiert und einen wichtigen Einblick in die Geschichte des Landes gibt.
Zudem wartet die Stadt mit einigen schönen Parks auf. Ich selbst habe zweimal den Cerro (Hügel) Santa Lucía besucht und einen ganzen Tag am Cerro San Cristóbal verbracht. Diesen kann man entweder mit der Seilbahn vom Barrio Bella Vista „erklimmen“, was ca. 10 Minuten dauert. Oder man macht es wie ich und geht zu Fuß mehrere Kilometer über die vielen Wege, alternativ kann man sich auch ein Fahrrad mieten. Die Aussicht über die Stadt und die schönen Parkanlagen belohnen den geleisteten Aufwand.
Nach mehreren Tagen in Santiago, die mir persönlich sehr gut gefallen haben, ging es mit dem Bus in die ca. 1,5 Stunden entfernte Hafenstadt Valparaíso.
Kai
Norddeutscher im Schwabenland mit einer Leidenschaft für Reisen, Fotografie und Digitale Medien. Dieser Blog ist meine persönliche Spielwiese.
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